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Pier Paolo Pasolini
(2015)
Pier Paolo Pasolini (1922–1975) erscheint von heute aus als eine der produktivsten und anregendsten Gestalten in der Kunst des 20. Jahrhunderts. Nicht nur wegen seiner vielfachen Begabungen und wegen seines geradezu ungezügelten Engagements als Sprachforscher, Linguist, Poet, Literat, Journalist, Kommentator, Romancier und Filmer, sondern auch aufgrund seiner akzentuierten Themen bleibt er anregend und provokativ, besser noch: evokativ.
Im heutigen Europa der Nivellierungen, Verordnungen und durch den Code der politischen Korrektheit geschützten Verlogenheiten fehlt seine Stimme schmerzlich. Pasolini hat niemals die Archaik der abgelegenen Regionen nur verklärt oder den Fortschritt nur verdammt, sondern in der Aneignung beider Pole eine umfassende Poetik des experimentierenden Denkens entworfen, welches nicht den üblichen Wegen oder Koordinaten folgt.
Genau in der Mitte der Poesie Pasolinis lebt aber auch, untrennbar vom Künstlerischen, die Wahrnehmung einer 'ganzen Welt', ihrer politischen Verwerfungen und sozialen Drohungen.
Spätestens seit der Mitte der 1960er Jahre erschien ihm der internationale Konsumismus als die größte Gefahr und soziale Bedrohung weltweit, ja gar als ein letzter, zudem erfolgreicher 'apokalyptischer Faschismus'. Man kennt und anerkennt diesen wirklich und wahrhaft erst heute unter dem meistens beschönigen wollenden Schlagwort der 'Globalisierung'. Pasolini erweist sich gegenwärtig als deren hellsichtigster Diagnostiker und schärfster Kritiker, als ein Mahner 'vor der Zeit'.
Der Literat, Künstler, Regisseur und politische Kämpfer Pasolini ist nach seiner bis heute nicht aufgeklärten Ermordung – ein dahinterstehender politischer Komplott sollte auch nie wirklich aufgeklärt werden – in der Nacht zum 2. November 1975 in Ostia bei Rom zu einer geradezu mythischen oder zumindest mystifizierten Figur geworden – verklärt verehrt oder hasserfüllt geschmäht.
Sein Werk, aber auch seine Person, erweisen sich bei näherem Zusehen als komplexer, vitaler, widersprüchlicher, undogmatischer als solche Setzungen vermuten lassen – und damit entschieden als zukunftsweisender, alle schieren Ideologien menschlich und diagnostisch überlegen.
Inhaltsverzeichnis:
1
Pasolini – Person, Werk, Leben (13:45)
/ 0:00 /
2
Todesmotive (6:45)
/ 13:45 /
3
Pasolini spricht Pasolini, Morricone vertont (9:07)
/ 20:29 /
4
Ein Bild Friauls (4:25)
/ 29:36 /
5
Frühe friulanische Poesie, neu geschrieben (10:59)
/ 34:00 /
6
Silvana Mauri gibt Zeugnis vom Besuch am Karneval in Casarsa 1947 (6:06)
/ 45:00 /
7
Freiheit – Die Flucht nach Rom 1949 (7:59)
/ 51:05 /
8
Stadt wie Kino – frühe Geschichten aus Rom (13: 42)
/ 59:05 /
9
Suffwalzer (2:48)
/ 1:12:47 /
10
Pasolini als Reporter 1959 (20:37)
/ 1:15:35 /
11
Poetik der Liebe (5:32)
/ 1:36: 12 /
12
Film als Sprache der Wirklichkeit (7:56)
/ 1:41:44 /
13
Die Mauern von Sanaa und ein Appell (4:22)
/ 1:49:40 /
14
'Große Vögel, kleine Vögel', gesungener Filmtitel (1:39)
/ 1:54:03 /
15
Die verlorene Unschuld und das Urteil Gottes (7:48)
/ 1:55:42 /
16
Bilderkrieg gegen Bilder/ Gedicht an Marilyn Monroe (10:32)
/ 2:03:30 /
17
Die Homosexuellen (8:05)
/ 2:14:02 /
18
Völkermord, Konsumismus und Auslöschung (9:03)
/ 2:22:07 /
19
Kommunisten und Katholiken (2:55)
/ 2:31:10 /
Credits:
Die dieser veränderten, gekürzten wie zugleich erweiterten Fassung zugrundeliegende erste Veröffentlichung erschien als: Pier Paolo Pasolini – Poetisch Philosophisches Porträt, 2 CDs mit Booklet 12 S, 151 Minuten, Königs Wusterhausen: Edition Apollon 2012.
Sprecher:
– Isabella Lewandowski (alle Kommentare Reck, außer Kapitel 1, 9, 11, 14)
– Christina Puciata (Auszug aus den Erinnerungen von Silvana Mauri in Kapitel 6 )
– Hans Ulrich Reck (Kommentare Reck, Kapitel 1, 9, 11, 14; Kapitel-Überschriften)
– Josef Tratnik (Texte Pasolinis)
Skript und Regie: Hans Ulrich Reck
Mischung/ Postproduktion: Ralf Schipke
Gesamtdauer (2:33:58 Min.)
In der neunten Vorlesung spricht Hans Ulrich Reck über die Epistemologie im Vergleich zur Ontologie von Bildern und diskutiert Konzepte der Visualität als Hintergrund des Konzeptes 'Kunst'. Zur Pointierung und als maßgebende Beispiele aus der Gegenwartskunst werden Gary Hill und Dan Graham thematisiert. Darüber hinaus geht es um byzantinische Bildkonzeption, die dreidimensionale naturalistische Illusionsinszenierung des Barock in Gestalt von heiligen Bildern (Sacri Monti u.a.), um Bilderstreit und Bilderkriege, um die Bildverbote im 20. Jahrhundert (Duchamp, Adorno u.a.) sowie Theorien der Photographie. Zusammenfassend und als Überleitung zur folgenden Vorlesung werden semiotische Diagramme zu Sprach- und Zeichenstrukturen sowie um das komplexe Modell künstlerisch-kunsttheoretischer-semiotischer Referenzsysteme am Beispiel Malewitsch (Abkoppelung von Zeichen und Bedeutung) vorgestellt. - Audiolectures 05,9.
Religion im Mittelmeerraum
(2012)
Nach einer Rekapitulation zur Antike, dem Zusammenbruch Roms, Aspekten der Kartographie im Mittelmeerraum und arabischer Expansion beschäftigt sich Hans Ulrich Reck in dieser Vorlesung zunächst mit den drei monotheistischen Religionen des Buches. Es geht um theologisch-politische Konzeptionen und um „Bruderkriege“ auf der Basis des Alten Testaments und der Autorität eines absolutistischen, autokratischen, unbedingten und bedingungslos agierenden Gottes. Des Weiteren geht Reck auf Aspekte der Missionierung, Weltzu- oder Abgewandtheit sowie diverse Begriffe und Konzepte von 'Paradies' ein. Der Islam als Händlerreligion, seine Eroberungs- und Assimilationskonzepte werden ausführlich thematisiert. Dabei kommt Reck auf Berberstämme zu sprechen und widmet sich der Expansion der Araber nach Spanien, wobei Cordoba bzw. der Untergang Cordobas eine zentrale Rolle spielen. Neben einem Exkurs zu Clanherrschaft, Dynastien und zur bis heute ausgebliebenen Zentralstaatlichkeit des islamo-arabischen Zivilisationsraums wird die Geschichte Europas und Arabiens im gesamten Mittelmeerraum skizziert. Erneut geht es auch um Istanbul, dessen Topographie und Eigenheiten. Zum Schluss wird prospektiv ein Blick auf Seehandelswege im Mittelmeerraum geworfen, wobei Pisa und Genua zur Sprache kommen und die Wichtigkeit von Venedig kurz angedeutet wird. - Audiolectures 04,4.
Resonanzen des Hermetischen, Philosophische und symbolische Programmatiken/ Hermetische Embleme
(2010)
In der Vorlesung besprochene Künstler: Marcel Duchamp; Salomono Trismosin, La toyson d'or, 1612; Michael Maier, Scrutinium Chymicum, 1687; Tractatus qui dicitur Thomae Aquinatis de alchemia, 1420; Tizian; Claude Monet; Max Ernst; André Breton, Amour fou, 1937; Pellegrino Tibaldi; Rosso Fiorentino; Giorgio Vasari, Studiolo, Florenz, Palazzo Vecchio, 1570-72; Hendrick Goltzius; Marc Chagall; Parmigianino; Raffael und Giulio Romano; Caravaggio; Rosso Fiorentino; El Greco; Salvador Dalì; Pieter Aertsen; Henri Rousseau; Leonardo da Vinci; Giacomo Torelli; Athanasius Kircher; Albrecht Dürer, Traumgesicht oder 'Traumvision', 1525; Robert Fludd, Utriusque cosmi, maioris scilicet et minoris, metaphysica, physica atque technica historia – in duo volumina secundum cosmi differentiam divisa, 2 Bde., Oppenheim, 1617-1621; Odilon Redon; Mario Bettini; Hildegard von Bingen; P. Mersenne; Pablo Picasso; Lorenz Stoer; Paul Klee; Max Ernst; 'Mysterium Magnum' von Jacob Böhme, 1682; Scipione (=Gino Bonichi); Bomarzo, Gärten des Grafen V. Orsini, 17. Jh; Dame mit dem Einhorn, Zyklus aus Lyon zu den Sinnen und ihrer Allegorie, Tapisserie im Museum Cluny, Paris, um 1500; Matthäus Merian; Giorgio Ghisi; Marc Anton Raimondi; Dosso Dossi; Fabius von Gugel; Jacques Callot; Hartmann Schedel, Buch der Chroniken, Nürnberg 1493; Hartmann Schedel, Illustration aus 'Liber Chronicarum', Anf. 16. Jh.; George Cruikshank; Grandville, Un autre monde, Paris 1844; Agostino Carracci; William Hogarth, The Analysis of Beauty, London 1753; Giovanni Battista della Porta, De Humana Physiognomia, Neapel, 1586; Honoré Daumier; Johann Kaspar Lavater; François Desprez; Lobacco; Giovanni da Udine; Christoph Jammnitzer; Gottfried Müller; Hans Leonhard Schäufelein; Jean-Baptiste Oudry; Théodore Maurisset; Ferdinand August Oldenburg; Lektionar von St. Martial zu Limoges, 10. Jh.; Meister E. S.; Peter Flötner; Johann David Steingruber; Ferdinand Kriwet; Jean-François Bary; Guillaume Apollinaire, Calligrammes, 1918; magisches Quadrat 'Sator Arepo'; kalligraphischer Text von Johann Neudörffer aus 'Eine gut Ordnung und Unterricht', 1538; Giuseppe Arcimboldi; Erhard Schön; Jean-François Niceron, La perspective curieuse ou magie artificiele des effets merveilleux, Paris 1638; Grégoire Huret; Shrî-Yantra; lamaistisches Vajra-Mandala; Henrich Cornelius Agrippa von Nettesheim, De occulta philosophia Libri, 1533; Basilius Valentinus; Thomas Norton 'Mercurius redivius', 1630; De Glanville, Le Propriétaire des choses, 1487; Hartmann Schedel, Das Buch der Chroniken und Geschichten, 1493; Heinrich Khunrath, Amphiteatrum, 1595/ 1609; Barchusen, Elementa chemicae, 1718; Sandzeichnung der Navajo-Indianer; Boschius, Symbolographia, 1702; Horapollo, Selecta hieroglyphica; Eleazar, Uraltes chymisches Werk, 1760; Ripley Scrowle, Die rot-weisse Rose als Geburtsstätte des filius philosophorum, 1588; Oswald Wirth; Jamsthaler, Viatorum spagyrium, 1625; Stephan Michelspacher, Die Cabala. Spiegel der Kunst und Natur, 1615; Jan Sadeler; Annibal Barlet, La théotechnie ergocosmique, 1653; Valentinus, Duodecim claves, 1678; Mylius, Philosophia reformata, 1622; Stolcius de Stolgenberg, Viridarium chymicum, 1624; Trimosin; Adolpho Luckiny, Universal Tinctur, 1750-60; Buch der heiligen Dreifaltigkeit, Ulmannus, Beginn 15. Jh.; Libavius, Alchymia, 1606; Nicolaus Flamell, 1681; Raymundus Lullus, Liber de Ascensu, 1512; William Blake; Herrad von Landsberg, Hortus deliciarum, 1180 - Audiolectures 03,7.
Symbolisches Referenzsystem einer anti-mimetischen, nicht-abbildlichen Kunst; idiosynkratische Gefühle, Singuläre Welten: Kunst von 'Geisteskranken'; Bildtheorie des Problems Ikonizität: Vera Icona und die Folgen versus assoziative Imagination des Unsichtbaren; Romantik, Utopie, Bild, Natur; schwarze Romantik, Interiorisierung der Imagination, Paradigmenwechsel der Traumfunktion - Audiolectures 03,9.
Im Rahmen der Vorlesung zu WestOstOstWest wird hier der Film »Sounds of Silence« von Amir Hamz und Mark Lazarz präsentiert. Einführend und anschließend sprechen Hans Ulrich Reck und Amin Farzanefar, der Journalist und exzellenter Kenner der iranischen Filmszene ist und der diesen Film als Element einer vierteiligen Reihe zu Subkulturen in der islamischen Welt ausgewählt hat. - Audiolectures 04,3.
Sprechakt, Realismus, Techno-Folklore & visuelle Repräsentation / Fall-Studie 1: Bruce Nauman
(1998)
In der zehnten Vorlesung führt Hans Ulrich Reck mit dem Künstler Bruce Nauman eine erste Fallstudie ein. Es geht um den Sprechakt und visuelle Repräsentation. Als Exkurs und Problemvorstellung wird der Universalcode zwischen Allegorie und Symbol bei Joseph Beuys thematisiert. Hinzu kommen theoretische Ausführungen zu Sprache und Natur, Allegorie, Symbol und Zeichentheorie sowie zu 'Sprechenden Zeichen' (Otto Neurath). - Audiolectures 05,10.
Theorien zum Ornament
(2013)
In dieser Vorlesung geht es erneut und erweitert um die Thematik und die Theorie des Ornaments, wobei Hans Ulrich Reck auf dessen Einflüsse im Westen eingeht, die in ihrer Reichhaltigkeit häufig, ja sogar systematisch unterschätzt werden. Es werden Exkurse zu Frank Stella und Bridget Riley vorgetragen sowie ein Vergleich von Piet Mondrian mit einem islamischen Gemälde aus dem 15. Jahrhundert angestellt, anhand dessen die kunstgeschichtlich normalerweise verzerrt und begrifflich ignorant gehandhabte Problematik von Figuration und Abstraktion sachlich angemessen diskutiert werden kann. Rekapitulierend wird auf Rom Bezug genommen, wobei am Beispiel eines Obelisken (Piazza Colonna und Montecitorio) und eines Deckenfreskos (von Andrea Pozzo) Bild und Ornament als äquivalente Prägungsformen thematisiert werden. Mit Blick auf eine „Kalligraphie der Natur“ geht Reck auf verschiedene Künstler ein, vorrangig Leonardo da Vinci, Jackson Pollock und Max Ernst. Im Anschluss daran werden die an diesen Künstlerin gewonnen spezifischen Hinsichten auf Bildgebungsformen am Beispiel der Alhambra in Granada vertieft und als Beitrag zu einem spezifischen Orientalismus im 19. Jahrhundert gewürdigt. Reck spricht außerdem über die Marokko-Reise von Henri Matisse sowie die Tunis-Reise von August Macke und Paul Klee – allesamt prototypische Reisebewegungen im Aufbruch zu anderen Kontinenten und regenerativ gewonnen fremdkulturellen Formeinflüssen um 1910. - Audiolectures 04,10.
In der Vorlesung besprochene Künstler: Hieronymus Bosch (Weltgerichtstryptichon, Sammlung der Akademie der bildenden Künste, Wien, 1504-06); Henri Michaux (1899-1984; Meskalin-Zeichnungen,1954-59 und 1966-69); Sterntaler-Illustrationen (Carl Gerts, Victor Paul Mohn, Carl Offterdinger, Robert Leinweber, Hermann Vogel, Dora Polster, Otto Ubbelohde, Franz Stassen, Gustav Bertschinger, Heinrich Asmus); Bühnenbilder zu Opern von Mozart und anderen sowie Buchillustrationen (Georg Balthasar Probst, Karl Friedrich Schinkel, Simon Quaglio, Lotte Reininger, Edward Suhr, Carl Wild, Caspar Neher, Heinrich Wendel, Arno Bossett, Ludwig Sievert, Ruodi Barth, Tony Johannot, Guillaume Sulpice Chevalier, Louis Boulanger); Grandville (Künstlername von Ignace-Isidore Gérard); Jean Baptiste Corot, Paul Gavarni, Johann Georg Hertel, Adolph Menzel, Rodolphe Bresdin, D'Hervey de Saint-Denys, Eugène Delacroix, James Ensor, Gustave Doré, William Turner, Charles Meryon, Gustave Moreau, Victor Hugo, Odilon Redon, Vincent van Gogh, Félicien Rops, Edward Burne-Jones, Arnold Böcklin, Giovanni Segantini, Henri Rousseau, Edward Munch, August Strindberg, Louis Janmot, Max Klinger, Alfred Kubin, Arnold Schönberg, Umberto Boccioni, Giacomo Balla, Luigi Russolo, Paul Klee; Rebusbilder - Audiolectures 03,5.
Symbolisches Referenzsystem einer anti-mimetischen, nicht-abbildlichen Kunst; idiosynkratische Gefühle, Singuläre Welten: Kunst von 'Geisteskranken'; Bildtheorie des Problems Ikonizität: Vera Icona und die Folgen versus assoziative Imagination des Unsichtbaren; Romantik, Utopie, Bild, Natur; schwarze Romantik, Interiorisierung der Imagination, Paradigmenwechsel der Traumfunktion. In der Vorlesung besprochene Künstler:
Illustrationen zu Beatus von Liébana, 8. Jh.; Hans Prinzhorn, Bildnerei der Geisteskranken, 1926; Francisco de Zurbaran; Leonardo da Vinci; Albrecht Dürer; Hieronymus Bosch; Desiderio Monsú; William Blake; Johann Heinrich Füssli; Francisco de Goya (Der Schlaf/ Traum der Vernunft gebiert Ungeheur, 1797/ 8, Capricho Nr. 43); Eugène Delacroix; Victor Hugo; Gustave Doré; Charles Meryon; Alfred Kubin; Edouard Manet; Giovanni Segantini; Marc Chagall; Salvador Dalì - Audiolectures 03,12.
In der zweiten Vorlesung beginnt Hans Ulrich Reck mit einer Rekapitulation und Fortsetzung der Einführung. Es folgen Erörterungen zu folgenden Stichpunkten: Kunst als Methode der
Entwicklung bestimmter Praktiken; nach dem Ende der Repräsentationsanstrengungen;
tautologische Definition der Kunst im systemtheoretischen Sinne; System und Subsystem,
Regulierungskriterien und Aspekte der operativen Mechaniken oder Funktionslogik der
Subsysteme nach Niklas Luhmann; Kunst als Semantik der im Kunstsystem zirkulierenden
Kunst; Kunst als Subsystem operativer Geschmacksselektion; Kritik daran; Schwitters, Ontologie
der modernen Kunst; philosophische Theorie, Materie und Form; Oskar Schlemmer;
Wirklichkeitsfragmente als reale Ausschnitte anstelle eines ein Drittes repräsentierenden, auf
Bedeutung oder Themen einer 'äußeren Welt' verweisenden Bildes; El Lissitzky und das
Hannoveraner Bilderkabinett von 1927; Futurismus; Rückblick auf die Kunstauffassung als
Illusionsdenunzierung durch Platon vs. mitvollziehbare Anschaulichkeit des Idealen in der
aristotelischen Position (Herausarbeitung der inneren Form); Beginn der Erklärung des
identifikatorischen, naturalistisch-visuellen Systems der Künste; neues Paradigma der
Renaissance; System der Perspektivität, Traktat über Malerei von Leon Battista Alberti (1435):
Bild als visuelle Fläche, nicht als Ebene der Attributierung von Symbolischem; primi luci
(Panofsky); Vertragsgeschichte (nach Martin Warnke, Bau und Überbau; an den Bsp. von Fra
Angelico und Piero della Francescas 'Schutzmantelmadonna‘).
Bildbeispiele und ein Bildverzeichnis für die Vorlesungen 1 bis 3 finden sich gesammelt in den Dateien der VL 1.
In der siebten Vorlesung thematisiert Hans Ulrich Reck Aspekte und Beispiele zum Thema der Intermedialität. Es geht um das Dazwischen der Medien als der Welt des Dazwischen; also: das Dazwischen des Dazwischen. Paragone in Theorie und Struktur werden genau so diskutiert, wie wissenschaftliche Illustrationen, Fraktale (unter Einbezug von Hildegard von Bingen), Diagramme, Methodologien von Kandinsky und Klee sowie Junggesellenmaschinen. In einem Ausblick auf die nächste Vorlesung wird bereits eine Ästhetik und Theorie von Cyberspace angesprochen. - Audiolectures 05,7.
Nach einer Vorschau auf die nächsten Termine und den Rest des Programms beginnt Hans Ulrich Reck die sechste Vorlesung mit einem Rückblick auf die Ausstellung 'Der Hang zum Gesamtkunstwerk' und das Kunstmodell seit der Romantik; darin nochmals die Kontroverse zwischen Bazon Brock und Joseph Beuys über einen (bemerkten oder unbemerkten) totalitären Anspruch die Wirklichkeit umzugestalten. Es geht darüberhinaus um: Bedeutungsverschiebungen in den Künsten; kurze Diskussion über 'entartete Kunst'; Bedeutung des Begriffs 'Kunst': 'ars', 'techne' bei den alten Griechen; das System der Künste seit dem späten Mittelalter: mechanische und 'freie Künste'; Inhalt, Herkunft, Kontur und Bedeutung des Paragone/ 'Rangstreit der Künste'; Ursprung von Künsten und Wissenschaften – das neuzeitliche und das mittelalterliche System des Wissens und der Wissenschaften; Entstehung des ästhetischen Eigensinns parallel zur sozialen Emanzipation der nunmehr als 'frei' verstandenen 'Künste' gegen das 'mechanische' Handwerk; neue Priorisierung: der Entwurf, die Idee, 'concetto' und 'bozetto'; die Grisaille-Malerei, Vortäuschung und Vortäuschenkönnen einer anderen Gattung oder Ausdrucksform der Kunst hier der Skulptur durch die Malerei; Verweis auf Hegel, Resonanzen des Rangstreit in seinem philosophischen System, das die Künste der Religion und Philosophie unterordnet und im System der Künste Musik und Poesie über die materie-lastigeren Formen der Malerei oder gar der Skulptur stellt; Schöpfung durch Entwerfen, Beuys: am Bsp. des Künstlers: Gottwerdung des Menschen, heute: aller Menschen; Leonardos Naturdarstellungen, Wasserumlenkungen im Arnotal, Gewitter und Wolkenturbulenzen; Hydraulik und Hermetismus bei Leonardo; von der Mimesis zur Schöpfung, Verrätselung; das Unfertige der Gemälde Leonardos als vollumfängliche Realisierung des ideellen zeichnerischen Entwurfs als Inkorporation eines Wesentlichen in den Künsten; der Künstler und die Despoten, Diktatoren als Auftraggeber der Künstler; was bedeutet 'korrupt' im Feld der Künste; Leonardos Unzimperlichkeit im Sich-Andienen an potente Auftraggeber, unabhängig von seiner Moral: Leonardos programmatische Hemmungslosigkeit (die nicht meint: moralische Verwerflichkeit oder ethische Korrumpiertheit); Verweis auf Herbert W. Franke, Das Leonardo-Prinzip.
In der vierten Vorlesung beschäftigt sich Hans Ulrich Reck mit den folgenden Stichpunkten: Rückblick auf die Dechiffrierung von Piero della Francescas Bild 'Geißelung Christi' durch Carlo Ginzburg; Beuys und einige Grenzüberschreitungen – Kunst, Technik, Wissenschaft; Propaganda, Diskurs, Missionierung, Engagement, Kunst und politische Kontexte; die permanente Kommentierung des künstlerischen Werkes; Vergegenständlichung und Entfremdung; Wiederaneignung von Formen der Lebendigkeit; Kunsttheorie als Theorie künstlerischer Praktiken und Methoden; Hinweis auf die Aktion von 1965 'Wie man dem toten Hasen die Bilder erklärt' – theoretische Erörterungen als immanente Dimension des Werkes (am Bsp. der 'Honigpumpe' in Kassel); "man sieht, was man sieht" vs. "man sieht, was man weiß"– kommunikative und andere Funktionen; Kritik der Kommentarbedürftigkeit der Kunst (Arnold Gehlen); Ent-Gegensetzung: die 'soziale Plastik' von Joseph Beuys; Aufbrechen des Werkes in Richtung auf Prozesse, Verlebendigung der allegoretisch eingefrorenen toten Gedanken in Wahrnehmung und offener Erfahrung; Hinweis auf die Diskussion zwischen Beuys, Kounellis, Kiefer und Cucchi (1986; Verlag der Zeitschrift 'Parkett'); Piero della Francesca und Joseph Beuys als prototypische, exemplarische, aber v.a. beispielgebende Exponenten ihrer Zeit, die ikonologischen Tendenzen konzentrierend.
Bildbeispiele und ein Bildverzeichnis für die Vorlesungen 3 und 4 finden sich gesammelt in den Dateien der VL 3.
Himmel und Hölle - MA-Visionen/ Pandämonium, Hölle, Bildrhetorik; Hieronymus Bosch; Visualisierungen von Elementen der Natur, besonders von Energiezuständen; populäre Ikonographie, Anthropomorphisierungen; Traum und Albtraumdarstellungen in der romantischen Ikonographie des 19. Jahrhunderts; Individualisierung der Phantasie, Suche nach Bildformen zwischen allegorischer Literarisierung und spezifischer Montageform; Kryptosurrealismus des 19. Jahrhunderts; psychiatrische Definitionen; Einführung in die Psychoanalyse und Freud; Freuds Psychoanalyse; Geschichte der Seele und des Traums (Ellenberger u. a.); Laplanche/ Pontalis, Ursprung der Phantasie; Jung, Bloch, Piaget; Daseinsanalyse, Traum und Existenz: Binswanger/ Foucault Traumdeutung, psychologisch; Surrealismus/ Schwerpunkt Artaud; Lenk, Subversion des Begehrens, Mimesis des Traums/ Subjekt/ Spontaneität des Traums; Entstehungstheorien der Kunst; psychoanalytische Theorien; Lacan; Phantasie und Kalkül; Wittgenstein; Typologien und poetische Exempel/ Singularitäten/ Bildbewegungen: Raymond Roussel, Brion Gysins 'Dream-Machine', Gysin/ Burroughs/ cut-up (vgl. Dadaismus), Kristalle; Architekturvisionen, die gläserne Kette, Taut, Scheerbart, Finsterlin, Camenisch; Bloch zur Architektur, himmlisches Jerusalem, Suger, Traumarchitektur, Boullée, Ledoux, Garten von Bomarzo; Hieroglyphen (US-Filme, Leonardo, Romantik, Lovecraft, Obelisken, Ägypten; vgl. Groteske, Arabeske, Poe), Hogarth, Schönheit der Linie; Kontur, Decorum; Orientalismus, van Gogh, Rothko, Newman, Jackson Pollock; Form und Bezeichnung der nichtfigurativen Hieroglyphik; Form des Unbezeichneten; Filmtheorie des Traums/ Traumtheorie des Films; Edgar Morin, surrealistischer Film: Formanalyse – Verschiebung, Verdichtung); Filmbeispiele Traumszenen in Filmen; Theorien der Metaphern und der Metonymien im Bild; Ricœur, Lebendige Metapher u. a. m.; Träume vom Aufwachen; Ehrenzweig, Ordnung im Chaos; Subroutinen; Artaud – Meskalin, Rausch (Tarahumaras) – versus Rousseau, Rêveries d'un promeneur solitaire; Bataille, Entgrenzungen, Verschwendungen, Auflösungen, Erotik; Dubuffet und die Sprache der Materialitäten; Max Ernst; Imagination Kant, KdU, KdrV– Synthesis der Apperzeption); 18. Jh. Sensualismus und Goya, de Sade und das Böse; Phantasmen-Bildung am Bsp. der Junggesellenmaschinen; Rudolf Heinz; medizinische, neurologische, experimentelle Traumforschung; zweiter Schwerpunkt: Entwurf einer Bildtheorie des Traums; Freuds Traumdeutung – eine Bildtheorie?; Kunst als Formmöglichkeit des Traums; Alchemie, Hermetik – Bildbeispiele; Formalisierung, gegliedert in: Formen, Prozessualitäten, Intentionen, Morphologie, Bildlogik. In der Vorlesung besprochene Künstler: Hieronymus Bosch (Weltgerichtstryptichon, Sammlung der Akademie der bildenden Künste, Wien, 1504-06); Henri Michaux (1899-1984; Meskalin-Zeichnungen,1954-59 und 1966-69); Sterntaler-Illustrationen (Carl Gerts, Victor Paul Mohn, Carl Offterdinger, Robert Leinweber, Hermann Vogel, Dora Polster, Otto Ubbelohde, Franz Stassen, Gustav Bertschinger, Heinrich Asmus); Bühnenbilder zu Opern von Mozart und anderen sowie Buchillustrationen (Georg Balthasar Probst, Karl Friedrich Schinkel, Simon Quaglio, Lotte Reininger, Edward Suhr, Carl Wild, Caspar Neher, Heinrich Wendel, Arno Bossett, Ludwig Sievert, Ruodi Barth, Tony Johannot, Guillaume Sulpice Chevalier, Louis Boulanger); Grandville (Künstlername von Ignace-Isidore Gérard); Jean Baptiste Corot, Paul Gavarni, Johann Georg Hertel, Adolph Menzel, Rodolphe Bresdin, D'Hervey de Saint-Denys, Eugène Delacroix, James Ensor, Gustave Doré, William Turner, Charles Meryon, Gustave Moreau, Victor Hugo, Odilon Redon, Vincent van Gogh, Félicien Rops, Edward Burne-Jones, Arnold Böcklin, Giovanni Segantini, Henri Rousseau, Edward Munch, August Strindberg, Louis Janmot, Max Klinger, Alfred Kubin, Arnold Schönberg, Umberto Boccioni, Giacomo Balla, Luigi Russolo, Paul Klee; Rebusbilder - Audiolectures 03,4.
In der fünften Vorlesung geht Hans Ulrich Reck vom Beispiel der Ausstellung von Harald Szeemann 'Der Hang zum Gesamtkunstwerk' (Kunsthaus Zürich 1983) aus und behandelt folgende Stichpunkte : Vorgeschichte, Geschichte und Aktualisierung zur Auffassung vom Künstler als einem Weltbaumeister; Handlungsprogramme im Namen der Kunst zur Modellierung, implizit auch Verleugnung oder Verneinung der Wirklichkeit; Stockhausens Bemerkung zur Vernichtung der Twin-Towers in NYC als singuläre Einlösung des einzig möglichen radikalen Avantgardekunst-Anspruchs; Einführung zum Topos des 'Gesamtkunstwerk': Barock, Romantik, Wagner, Kunstentwürfe als radikalisierende romantische Utopien; zum kuratorischen Gesamtwerk, der Arbeitsweise, Selbstinterpretation, Arbeitsauffassung von Harald Szeemann – Pionierleistung und Vorprägung zu: der Kurator als Künstler; Vorabhinweis zum Rangstreit der Künste/ 'Paragone'; Fluxus, ephemere und transitorische Kunst, Konzeptkunst vs. Allegoresen; Avantgarde als Realisierung der Selbstverflüchtigung vs. Ortsbehauptung einer bedeutungsschweren Kunst wie der zum 'Gesamtkunstwerk'; danach: Video-Dokumentation (110') 'Der Hang zum Gesamtkunstwerk' (Ausstellung H. Szeemann, Kunsthaus Zürich 1983) mit anschließender Diskussion zwischen Joseph Beuys, Bazon Brock, Frei Otto, Wolf Jobst Siedler, Harald Szeemann (Sendung 'Nachtfalter', WDR 1983); darin: Beuys' These von der 'Kreativität als Freiheitswissenschaft'; Hinweis auf 'Kapital', Installierung von Joseph Beuys in den Hallen für neue Kunst in Schaffhausen).
Theorie des Verlaufs der Visionen, Beispiele ; mystischer Eros Präsenz/ Absenz; Wiederholung/ hermeneutische Kontrolle; Vision zwischen Gotteserfahrung und Psychologie; Säkularisationsfiguren der modernen christlichen Theologie und Dogmatik, Skepsis gegen christliche Dogmatik; Vision als Bildproduktion; Paradoxien zwischen Glaube und Bild, theologische Undarstellbarkeit und Theorie der neuzeitlichen Malerei; wechselseitige Durchdringung von Vision und Malerei; Vision und Askese mit Exkursen zu drogengestützten Visionen; Unterscheidung Vision/ Halluzination, Traum/ Vision. In der Vorlesung besprochene Künstler : Salvador Dalì, Peter Paul Rubens, El Greco, Oscar Dominguez, Leonardo da Vinci, Michelangelo, Vittore Carpaccio, Pellegrino Tibaldi, Karl Blechen, Caspar David Friedrich, Carl Gustav Carus, Johan Christian Dahl, Johann Heinrich Füssli (Henry Fuseli), Giovanni Battista Piranesi, Francisco de Goya y Lucientes, William Blake - Audiolectures 03,2.