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Nach einer Vorschau auf die nächsten Termine und den Rest des Programms beginnt Hans Ulrich Reck die sechste Vorlesung mit einem Rückblick auf die Ausstellung 'Der Hang zum Gesamtkunstwerk' und das Kunstmodell seit der Romantik; darin nochmals die Kontroverse zwischen Bazon Brock und Joseph Beuys über einen (bemerkten oder unbemerkten) totalitären Anspruch die Wirklichkeit umzugestalten. Es geht darüberhinaus um: Bedeutungsverschiebungen in den Künsten; kurze Diskussion über 'entartete Kunst'; Bedeutung des Begriffs 'Kunst': 'ars', 'techne' bei den alten Griechen; das System der Künste seit dem späten Mittelalter: mechanische und 'freie Künste'; Inhalt, Herkunft, Kontur und Bedeutung des Paragone/ 'Rangstreit der Künste'; Ursprung von Künsten und Wissenschaften – das neuzeitliche und das mittelalterliche System des Wissens und der Wissenschaften; Entstehung des ästhetischen Eigensinns parallel zur sozialen Emanzipation der nunmehr als 'frei' verstandenen 'Künste' gegen das 'mechanische' Handwerk; neue Priorisierung: der Entwurf, die Idee, 'concetto' und 'bozetto'; die Grisaille-Malerei, Vortäuschung und Vortäuschenkönnen einer anderen Gattung oder Ausdrucksform der Kunst hier der Skulptur durch die Malerei; Verweis auf Hegel, Resonanzen des Rangstreit in seinem philosophischen System, das die Künste der Religion und Philosophie unterordnet und im System der Künste Musik und Poesie über die materie-lastigeren Formen der Malerei oder gar der Skulptur stellt; Schöpfung durch Entwerfen, Beuys: am Bsp. des Künstlers: Gottwerdung des Menschen, heute: aller Menschen; Leonardos Naturdarstellungen, Wasserumlenkungen im Arnotal, Gewitter und Wolkenturbulenzen; Hydraulik und Hermetismus bei Leonardo; von der Mimesis zur Schöpfung, Verrätselung; das Unfertige der Gemälde Leonardos als vollumfängliche Realisierung des ideellen zeichnerischen Entwurfs als Inkorporation eines Wesentlichen in den Künsten; der Künstler und die Despoten, Diktatoren als Auftraggeber der Künstler; was bedeutet 'korrupt' im Feld der Künste; Leonardos Unzimperlichkeit im Sich-Andienen an potente Auftraggeber, unabhängig von seiner Moral: Leonardos programmatische Hemmungslosigkeit (die nicht meint: moralische Verwerflichkeit oder ethische Korrumpiertheit); Verweis auf Herbert W. Franke, Das Leonardo-Prinzip.
Die siebte Vorlesung findet in Form einer Exkursion in die Hallen für neue Kunst in CH-Schaffhausen statt. Neben Erörterungen von Hans Ulrich Reck wird von der Leiterin der Sammlung Crex, Christel Raussmüller, begrüßt und eingeführt. (Aus technischen Gründen sind nur die ersten 47 Minuten von insgesamt vier Stunden dokumentiert.)
Weiterführende Informationen zu den Hallen für Neue Kunst in Schaffhausen finden sich unter:
https://raussmueller.org/?page_id=30 (konsultiert am 14.11.2019)
Nach einigen Vorabinformationen zum Verlauf des Semesterzyklus beginnt Hans Ulrich Reck die achte Vorlesung mit Bemerkungen zu Studiengebühren, Langzeitstudien-Kosten und Angriff auf die Hochschulen heute. Desweiteren spricht er zu: Gratisleistungen von KiTa bis Hochschule, Angriffe auf das vermeintlich Elitäre, commonsense des Allgemeinen, den unlauteren Gleichheitsbegriff und den sozialdemokratischen Komplex der Inferiorität, Demütigungen der Sozis und Jungsoszis durch die radikalen Exponenten um 1968; nicht eingestandener Kultur-, Hochschul- und Wissenschaftshass der systemisch adaptierten Halblinken; Korruption/ Korruptivität der durch den Staat ernannten Ethik-Räte; angenommene und jederzeit in allen Belangen und Hinsichten unterstellte europäische Konvention, dass der Staat à discretion die Bildung und Ausbildung auf Basis persönlicher Neigungen für alle Individuen unentgeltlich garantiert und anbietet; zum Begriff der Subsistenz, Instandgesetztwerden durch eigene Qualifikation, Dienste an sich und der Gesellschaft; Erwerb des Glücks, einklagbare Ausbildungsrechte des Einzelnen und damit aller Einzelnen gibt es erst seit etwa 130 Jahren, allgemeine Schulpflicht u. a. m. Inhaltlich und thematisch folgen Erörterungen zu: Geschichte der Künstlerausbildung/ Akademien etc. von Vasari bis zur Gegenwart; Akademie in der Antike: freier Zusammenschluss einzelner für die Pflege einer übergreifenden Aufgabe: Ethos = Aufrechtstehenkönnen; die Entstehung der Abstraktionskonzepte im alten Griechenland; handwerkliche Meisterleistungen des Mittelalters, Dom in Monreale (bei Palermo), Begriff des Handwerklichen, Meisterlichkeit des Handwerkens; Bilder und Bauten, Symbole und Manifestationen vor der entfalteten Semantik der europäischen Kunst; Entgegensetzung am Bsp. Alberto Giacometti: der Künstler kann kein Wissen darüber haben, wie er vorgeht; was heißt Gestalterausbildung zu verschiedenen Zeiten?; Begriffs- und Wortgeschichte der 'Akademie'; Vasaris Gründung der Accademia del Disegno in Florenz 1561 – Programm, Aufgaben, Techniken, curriculare Konzepte, Selbstverständnis; Vasaris 'Viten' als Gründungsakte der neuzeitlichen und eigentlichen Kunstgeschichtsschreibung; Ästhetik als Vereinheitlichung der Künste gegen den Zerfall im Manierismus; fortschrittlicher, wissenschaftsfreundlicher Absolutismus; weitere Entwicklung bis zum 19. Jh., Weltausstellungen seit 1851 in London (Kristallpalast von Joseph Paxton), Paradoxien des Fortschritts, das Elend ästhetisch depravierter Produktekultur im Industriekapitalismus, Industriekitsch; Sezessionen und Kunstvereine, Künstler-Organisationen in Opposition zur industriellen Maschine; Arts-and-Crafts, William Morris, Dürerbund, Werkbund, Bauhaus, zweite Phase: Entwicklung hin zu Industrie und Maschine; Le Corbusier, das Atelier Peter Behrens in Berlin; Hochschule für Gestaltung in Ulm, die 'gute Form'; gedankliche Situierungen der aktuellen Kunsthochschulen auf diesem Hintergrund: Kunst und Lebensform.
Hans Ulrich Reck beginnt die neunte Vorlesung mit einer Vorschau auf die Führung im Wallraff-Richartz-Museum, die im Rahmen des Vorlesungszyklus durch Thomas Hensel durchgeführt wird. Es folgen Ausführungen und Erörterungen zu den Themen und Stichpunkten: Paragone-Thematik: Kunst und Lebensform; Rekapitulation: Gründungsgeschichte der Akademien und polytechnischen Hochschulen im Absolutismus; Absetzungsbewegung: europäische Romantik, die Insistenz der Künstler auf einer je unaufhebbaren Gegenwärtigkeit; Problem der Routinen, Aufgabe des Verlernens; Gegenwartskunst, Kunstvereine; Anspruchsniveaus der Künste, auch in Bezug auf technische Voraussetzungen, Mittel, Instrumente, Medien; zur Nachbereitung zur Exkursion in die Hallen für neue Kunst mit einigen Erweiterungen: minimal und conceptual art mit einem Einbezug von/ Theoriefokus auf: Passagen zur 'Rätselhaftigkeit der Kunst', 'Logizität des Kunstwerkes' aus Theodor W. Adornos 'Ästhetischer Theorie'; Robert Mangold, Bilder zu Figur und Grund; Sol Lewitt, Serialisierungen, Vision einer weltweit gleichen Kunst, seriell, maschinell herstellbar, Computerstrukturen; land art, Bruce Nauman; Robert Morris' Apokalyptische Bilder mit den akzentuierten Rahmungen aus den 1980er Jahren; Wesensbestimmungen und Ausdrucksformen des Minimalen; Joseph Kosuth, Abhandlung von 1969 zu 'Kunst nach der Philosophie', Umkehrung des Hegelianismus; nicht ein zeitliches Ende der Kunst, sondern eine sachliche Grenze ihrer Leistungsfähigkeit; Kunst braucht nach Hegel Veranschaulichung und kann nicht Theorie denken; dagegen Kosuth; Hinweise auf eine Denkfigur in einer ausgewählten Passage zur 'Rätselhaftigkeit der Kunst', 'Logizität des Kunstwerkes' aus Theodor W. Adornos 'Ästhetischer Theorie': Denken der Versöhnung in einer Welt, die Versöhnung nicht mehr kennt; Nähe zum Denken, aber nicht in diskursiver Gestalt; Kosuths Beschwörung der Kunst als synthetische Urteile apriori; Exkurs zu Kants Urteilsformen (analytisch, synthetisch, aposteriori, apriori); Ausführungen zu Donald Judd; Rémy Zaugg, List der Unschuld, Ausführungen zu einer Skulptur von Donald Judd; Wahrnehmungsformen, Anwesendes und Abwesendes; Logizität der Kunst, minimal und conceptual art als Vorbedingungen zur neugefassten Kontur eines zeitgenössischen Realismus; Ausklang mit technischen Hinweisen: Exkursion ins Museum nächste Woche und Leistungsscheine/ Anforderungen/ Termine; Auslegen der Literaturliste, Daten zur Geschichte der Künstler- und Designerausbildung.
Die zehnte Vorlesung beginnt Hans Ulrich Reck mit einer Vorabeinlassung zu den Stichpunkten: Theorie-Ignoranz an Kunsthochschulen, ausbleibender Resonanzraum seit je, Unveränderlichkeit eines beklagenswerten Mangels. Danach spricht er, nochmals ausgehend von der Sammlung in Schaffhausen, über die folgenden Themen: was nach der Konzeptkunst und der minimal art kommt: Bruce Nauman und Christo; Hinweis auf Running Fence als zwei diverse Möglichkeiten, zeitgenössische Kunst zu situieren; Exkurs zur 'arte povera' (Mario Merz, Jannis Kounellis, Joseph Beuys), kuratorische Exposition von Germano Celant; Ästhetik und Aisthesis, Begriffsbestimmungen, sinnliche Wahrnehmung und Modelle der Differenz jenseits der sensualistischen Rückkoppelung von Erfahrungen, auch solchen der Kunst; zwischen ideeller Reflexion und sinnlicher Erfahrung: Erfahrung durch Wahrnehmung, Steigerungsformen; spezifische Möglichkeiten der Kunst unterhalb des Symbolischen; ein artifiziell Neues, das erfahren werden kann und nicht gelernt werden muss; direktes Erleben eines Neuen – dies das herausragende Kennzeichen der Arbeit von Bruce Nauman; Bilder zu Bewegungen im Quadrat; Hinweis auf 'Squares' und andere TV-Stücke von Samuel Beckett; das konkrete Hier- und So-Sein unter Ausschluss aller anderen Möglichkeiten, die sich gleichzeitig anbieten würden: das konkrete So-Sein als Ausschluss aller anderen Möglichkeiten, das Leben als Ausschluss von Alternativen; Spinoza, Empfinden des Konkreten, Jede Bestimmung ist Verneinung; Bestimmungen im Konkreten: zur Kraft der Linien, die generative Natur, hieroglyphische Linie, Leonardo, Kandinsky, Jugendstil, Paul Klee – Nachwirkungen in Bruce Naumans Selbstbildnissen und Atelier-Performances; "von der Hand in den Mund": ein Wörtlichnehmen dessen, was dann, als gezeigtes, zum Bild, wird; Frage, die bleibt: Wie kommt man vom Einzelnen und Speziellen zu einem Allgemeinen oder gar Universalen? Kunst nicht als Selbstreferenz, sondern als Medium der Wahrnehmung und Thematisierung der Beziehung von Selbst und Welt; Naumans Konzepte als Reaktualisierungen und Aneignungen von Themen aus der europäischen Kunstgeschichte, z. Bsp. der Thematik des Fußes eines Sockels; Allegoretisches im Werk von Bruce Nauman: Realismus, US-amerikanische Gewaltwirklichkeit; zur Einheit von Person und Werk: "the true artists helps the world by revealing mystic truths"; Hinweis auf zu Christos 'Running Fence': Kommunikationsdesign, Prozessbezogenheit des Werkes, Sichtbarmachen des Konzeptes; auch hier ein Bsp. von Kunst als Lebensform.
Kulturimport / Kulturexport
(2012)
In dieser Vorlesung geht es um verschiedene Städte und wird die Erörterung von Ortstypologien fortgesetzt, die bereits in vorherigen Vorlesungen angesprochen wurden. Thematisiert werden als typenprägende Beispiele der Petersdom und der Petersplatz sowie generell die Stadt Rom und die päpstliche Baupolitik im 16. und 17. Jahrhundert. Des Weiteren kommt Hans Ulrich Reck auf Palermo zu sprechen und referiert über die arabo-normannische Zivilisation in Sizilien. Es schließen sich Ausführungen zur Renaissance-Architektur an, die auch Exkurse zur Antike sowie zu Pathos- und Prägungsformeln in Architektursprache und allgemeineren Kulturstrategien beinhalten. Venedig spielt erneut eine Rolle. In Anmerkungen zur langobardischen Kunst wird ein Exkurs zur Thematik des Ornaments während der Völkerwanderungszeit integriert. - Audiolectures 04,8.
Mit Beiträgen von: Heike Ander, Ale Bachlechner / Olivia Platzer, Elisa Balmaceda, András Blazsek, Ali Chakav, Matthias Conrady, Nadine Decker, Kate Dervishi, Vera Drebusch, Nieves de la Fuente, Miriam Gossing / Lina Sieckmann, Roman Hahlbrock, Angelika Herta, Stefan Ramírez Pérez, Joscha Steffens, Sebastian Thewes, Hans Ulrich Reck
Flüchten und Flehen
(2016)
Grenzen und Gespinste
(2016)
Elend und Euphorie
(2014)
Feedbackmaschinen
(2014)
Wie erleben wir Interaktion? Wie kommen die Bewegungen unserer Hand an der Maus und die bewegten symbolischen Darstellungen auf einem Bildschirm zusammen, um als einheitliche Handlung erlebt zu werden: etwas anklicken? Und wie bekommt dieses Etwas seine Gestalt?
Ausgehend von dieser Frage entwickelt die Arbeit einen neuen Blick auf das Interagieren, der sich wesentlich auf den Feedbackbegriff und die Kybernetik stützt. Dazu wird einerseits die Geschichte der Kybernetik als Vorgeschichte des interaktiven Rechnens selbst rekonstruiert, andererseits wird kybernetisches Denken für ein Verstehen von Interaktion reaktiviert. Unter Bezugnahme auf die akademische Human-Computer Interaction, sowie Technik- und Wissenschaftsgeschichte, Medienwissenschaften und Semiotik, aber auch auf empirische Psychologie und künstlerische Praxis, entsteht so ein Verständnis von Interaktion, das als Kritik an kognitionswissenschaftlichen Theorien der Interaktion, sowie auch am Vorwurf einer Konditionierung durch Interaktion zu verstehen ist, wie ihn Medienkunst oder Medienwissenschaften formulieren. Zugleich funktioniert dieses Verständnis als Ergänzung zu Theorien „direkter Manipulation“ oder „greifbarer Schnittstellen“, als Einbeziehung post-kognitivistischer Positionen wie „Embodiment“ und „Enactivism“ in den Interaktionsdiskurs, und schließlich als mögliche Antwort auf die Frage, wie körperliche Aktivität und Wahrnehmung beim Interagieren zusammenkommen, um dabei die Gegenstände der Interaktion erst zu erzeugen.
Interaktion, so das Fazit der Arbeit, erzeugt Schnittstellen.
Metaphysische Maschinen
(2014)
Heiko Schmid beschäftigt sich mit so unterschiedlichen und gleichzeitig faszinierenden Phänomenen wie der populären Astronomie, der Künstlerbewegung der Futuristen, dem Science-Fiction-Genre, den Entstehungszusammenhängen der Raketentechnologien und dem Theorem der vierten Dimension. All diese vielfältigen Themenfelder verbindet er hierbei mit einer Annäherung an das Konzept der Maschine. Das zentrale Anliegen der Studie ist es, den Maschinenbegriff kultur- und kunsthistorisch in einen komplexen Rahmen technoimaginativer Entwicklungen einzubetten.
Softwaresysteme sind eine effektive technische Strategie zur Herstellung erfundener Wirklichkeiten. In unserer digitalen Kultur handeln programmierte Systeme bereits in beträchtlichem Maße anstelle von Menschen. Dabei gelingt wechselseitiges Aufeinander-‐ Reagieren von Menschen und programmgesteuerten Apparaturen nur dort, wo Software und Anwender sich auf einen gemeinsamen, oft unsichtbaren Kontext beziehen. Noch weiß die Apparatur nichts von ihrem Tun, es werden lediglich externe Ereignisse registriert und diese mit inneren Zuständen zu Antworten und Reaktionen verrechnet. Die elektronische Hardware fungiert dabei als Substrat und offenes Gefäß, das unterschiedliche Programme aufnehmen und so unterschiedliche Logiken der Interaktion realisieren kann. Im Programm selbst finden wir nur ein Spiel von Zeichen, das Größen und Symbole nach festen Regeln in Beziehung setzt und das Ergebnis in den Displays anzeigt oder mit Hilfe von Aktoren in Handlungen übersetzt. Wie aber halten die Zeichen die Verbindung zur Welt? Oder andersherum: Wie kommt ein Stück Welt in die Maschine? Am Beispiel der Geometrie wird in groben Zügen nachvollzogen, welche Abstraktionen, Idealisierungen und Modellvorstellungen im Spiel sind, bis geometrische Primitive als manipulierbare Objekte im Computer zur Verfügung stehen. Die verschiedenen Abstraktionsebenen, vom Anwendungsmodell über verschiedene formale Spezifikations-‐ und Softwareebenen bis zum binären Prozessorbefehl sind ein gut untersuchtes Feld im Software-‐Engineering. Doch die Quantifizierung und Formalisierung markiert nur den Weg in die Maschine und damit nur die Hälfte der Strecke. Im Vollzug des Rechnens findet eine Konkretisierung und Rekontextualisierung des Formalen statt. Zeichen werden rücktransformiert in Kontingenz und wahrnehmbare Qualität. Während im Zuge der Abstraktion eine radikale Säuberung des modellierten Weltausschnitts erfolgt die alles Sinnliche entfernt, sehen wir beim Prozessieren der Algorithmen die Umkehrung. Das nackte Skelett wird wieder angereichert und die ganze Fülle an Gedanken, Gefühlen und Interpretationsmöglichkeiten entfaltet sich aufs Neue. Doch wird nicht zurückgepackt was ehemals weggenommen wurde, sondern Anderes, das sich aus unterschiedlichen Quellen speist. Hier, in den Leerstellen der formalen Beschreibungen, nisten wesentliche Anteile des Reichtums, der Vielfalt und Qualität des Digitalen. Das Formale und das Konkrete dürfen aber nicht als Widersacher im Ringen um Fülle und Ästhetik betrachtet werden, sie bilden ein kraftvolles Gespann. Kluger Umgang könnte darin bestehen, die prinzipiellen Grenzen und Möglichkeiten des Formalen zu kennen, sich der instrumentellen Vernunft aber nicht auszuliefern, sondern sie in ihrer Wechselwirkung mit dem Konkreten zu untersuchen und fruchtbar zu machen.
During its long history from antique hand-operated instruments to modern information processing automata the notion of the machine has several times received a shift in meaning. Today the concept of the machine has completely lost its attachment to any concrete material and is instead characterized by its functional behavior. Symbolic machines, i.e. the mathematical idea to mechanically operate with symbols, became a fundamental skill in many different scientific disciplines. In this paper we take a look on synthetic biology from the computational point of view and especially address the question whether it will once more challenge the notion of the machine. One obvious consequence of future biotechnologies is that we cannot any longer draw a strict line between technique and life. In the past machines did not assemble, maintain and reproduce themselves, they had to be fabricated by man and required human monitoring and directing. Through the technical use of biological processes this hallmark of the living becomes untenable. Self-strategies and especially self-referential functional descriptions like self-assembly, self-reproduction, and self-modification are at the center of the convergence of the natural and the artificial. Conversely the adoption of life-like qualities by technical artifacts will also challenge our image of life and organisms and our understanding of what aliveness could mean.
Die Sizilianischen Förster
(2013)
Zwei Jahre nach Erscheinen seiner mathematisch verfassten Arbeit „KYBERNETIK, oder Regelung und Kommunikation bei Tier und Maschine“ veröffentliche Norbert Wiener auf Drängen einiger Freunde ein weiteres Buch, das seine Theorien auch Laien zugänglich machen sollte. In diesem zweiten Buch verschwinden alle mathematischen Zeichen, dafür werden von Wiener die sozialen Folgen der Kybernetik herausgearbeitet. Das neue Buch trägt im Original den Titel „The Human Use of Human Beings (Cybernetics and Society)“. Die deutsche Übersetzung verzichtet auf den gesellschaftlichen Anspruch und titelt schlicht „Mensch und Menschmaschine“. Wiener macht deutlich, dass durch das neue Maschinenzeitalter »die unmittelbare Zukunft der menschlichen Gesellschaft von düsteren Gefahren umgeben ist und wir unseren Kurs anhand von Seekarten der Fortschrittsidee verfolgen, auf denen die drohenden Untiefen nicht verzeichnet sind«. Auch wenn die Gefahren heute andere sind als 1950, so sind doch die Seekarten nach denen Politik und Wirtschaft in Bezug auf die Technik navigieren die alten. Und Wieners Frage »Was sollen wir nun in dieser Lage tun?« ist ohnehin zeitlos. Im Bewusstsein der Gefahr, leicht in die Nähe alter ideologischer Fahrwasser der Kybernetik zu geraten oder verschrobenen Phantasien nachzuhängen ganze Gesellschaften ließen sich als riesiger Homöostat modellieren und simulieren, soll im Rahmen eines kleinen Workshops im Juli 2013 trotzdem erneut die Frage gestellt werden, was das Zusammendenken von Kybernetik und Gesellschaft in der aktuellen Problemlage leisten könnte. Können kybernetische Begriffe und damit verbundene Methoden wie Feedback, Blackbox, Information, Homöostase, blinder Fleck, Selbstreferenz, Selbstorganisation, Autonomie, strukturelle Kopplung und Autopoiese überhaupt etwas zum Verständnis sozialer Strukturen beitragen? Die Kybernetik ist mathematisch und abstrakt. Wo bleiben die Werte, nach denen eine Gesellschaft sich ausrichtet? Liegen diese nicht immer jenseits systemtheoretischer Möglichkeiten? Ist es vielleicht trotzdem möglich, Orientierungshilfen auf den abstrakten Fundamenten neuerer kybernetischer Erkenntnisse zu gründen? Warum soll es nicht wenigstens kybernetisch--‐motivierte Handlungsstrategien geben, die sich in vernetzten Sozialstrukturen als überaus brauchbar erweisen? Was taugt zum Beispiel Luhmanns soziologische Systemtheorie als Bedienungsanleitung? Oder lassen sich Gesellschaftsdynamiken grundsätzlich nicht vollständig modellieren? Der folgende Text stellt keine Antworten vor, sondern versucht zunächst aus subjektiver Perspektive die Problemlage zu umreißen.
Das Forschungsvorhaben "Biointegrierte Materialentwicklung" verfolgt die Entwicklung neuer funktionaler Materialien die beispielsweise in Städtebau, Architektur, Produktdesign und Agrikultur zur Anwendung kommen sollen. Durch die Kombination herkömmlicher Materialien und digitaler Konstruktions- und Bearbeitungsmethoden mit Organismen, organischen Prozessen und vor allem biologischem Wachstum sollen neue nachhaltige Materialien und Baustoffe, sowie andersartige Materialprozesse und alternative Formen der Poiesis untersucht werden. Sobald aber Werkstoffe nicht mehr nur als passive Einheiten betrachtet werden, die sich der technischen Konstruktion und der statischen Form unterordnen und in erster Linie durch Bearbeitungs- und Gebrauchseigenschaften bestimmt sind, sondern das eigendynamische zeitliche Verhalten organischer Systeme und natürlicher Wachstumsprozesse mit in den Fokus genommen werden, durchbrechen wir die gängige Dichotomie von Technik und Natur. Die Verbindung von Ingenieurprinzipien mit biologischen Prozessen und natürlichen Abläufen führt nicht nur zu andersartigen Entwurfsmethoden, Herstellungsverfahren und Produktlebenszyklen, sondern insgesamt zu einer Rehabilitation und Wiederinstandsetzung natürlicher Prozesse. Nicht mehr die analytische Beherrschung eines Gegenstandes oder die Erreichung detailliert geplanter Endzustände stehen im Zentrum, sondern die Konfiguration von Milieus und Potentialen, in denen sich natürliche Prozesse etablieren und in die wir gewünschte Funktionen einschreiben können, ohne das biologische Gleichgewicht zu zerstören.
This text was performed at Royal College of Art, Visual Cultures Lecture Series: Entanglement
Research Group. 25 January 2018 | 6.30pm – 9pm with Leo Costner / Amir George / Manu
Luksch / Martin Reinhart / UBERMORGEN. Organised by: Johnny Golding, Aura Satz, Margarita
Gluzberg and Nigel Rolfe.
The Lecture is based on a Invocation by UBERMORGEN, held at HKW Berlin for the ‘1948
Unbound’ Conference, Nov 30–Dec 2, 2017, Switches Discursive installation, Thursday, Nov 30,
7 pm, with Morehshin Allahyari, Marie-Luise Angerer, Elie Ayache, Anna Echterhölter, Thomas
Feuerstein, Alexander R. Galloway, Johnny Golding, Orit Halpern, Marian Kaiser, Giuseppe
Longo, Gerald Nestler, Julian Oliver, Sophia Roosth, Sarah Sharma, Felix Stalder,
UBERMORGEN
The PhD dissertation takes art as enactments of different theories of materialism – both new materialism(s) and historical materialism, to provide conceptual tools through which both material agents and socio-political processes could be understood in emergent, relational and dynamic ways. The dissertation examines the politics of language and how the materiality of language could transgress political boundaries by focusing on Lawrence Abu Hamdan’s works. The problematisation of language as a signifier continues with bioart works engaging with DNA technology from Paul Vanouse and Spiess/Strecker, which also challenge organic death and the capture of life under necropolitics with hypernature. This is followed by an analysis of Geumhyung Jeong’s choreographic works with machines, which highlight the relational co-emergence with the man-machine assemblage. The dissertation ends with Ho Tzu Nyen and Royce Ng’s transhistorical works on Southeast and East Asian modernity, with the figures of the tiger and the vampire embodying the free flow of desire in capitalism. Traversing different histories and geographies while interweaving diverse topics including animism, technology, colonialism and Confucianism, the core question remains the same throughout the dissertation: to locate the agency in the material and the (in)dividual bodies.
KHM 2006
(2007)
Die KHM, die Kunsthochschule für Medien Köln, ist beinahe zwei Jahrzehnte alt. Für Akademien und Universitäten kein Alter, für eine Kunsthochschule für Medien eine lange Zeit – denn die Medien haben in diesem Zeitraum ihre Entwicklungsschritte rasant unternommen. Heute muss sich die KHM mit HD-Television, mit der Frage von bio-digitalen Lebensbedingungen beschäftigen, sie muss ihren Blick sowohl auf einen Kunstmarkt richten, der die Kunst immer ausschließlicher als Kapitalanlage begreift, sowie sich auf Medien konzentrieren, deren traditionelle Anstalten (wie beispielsweise der öffentlich-rechtliche Rundfunk) vor gravierenden Veränderungen stehen. Die digitalen Medien und ihr Einsatz in den Künsten, im Film, beim Video, in der postproduktionellen Bearbeitung, im Alltag (Kommunikation, Ökonomie und Politik) sind umfassend geworden und haben dadurch ihren Sonderstatus eingebüßt, der Zugriff auf den Computer ist Routine geworden.
Für eine Kunsthochschule, deren Selbstverständnis auf den Medien (im Kunst- und Kulturkontext) beruht, sind diese Entwicklungen eine ständige und große Herausforderung. [...]
KHM 2005
(2006)
Zum ersten Mal legt die Kunsthochschule für Medien Köln für das Jahr 2005 einen Jahresbericht vor. Mit ihm gibt sie einen detaillierten Einblick in die Arbeit der Fächergruppen der Hochschule, die Diplomprojekte der Studierenden, in die Aktivitäten der Lehrenden, in bergreifende Veranstaltungen und Rahmendaten sowie in die Arbeit der Hochschulverwaltung. Auch schon bisher fanden die Aktivitäten der Hochschule ihren Niederschlag in einem periodisch erscheinenden, umfangreichen Jahrbuch. Diese Publikation hatte aber jeweilige thematische Schwerpunkte und war neben einer knappen Darstellung der jährlichen Ereignisse vornehmlich einer kunst- und medienwissenschaftlichen Reflexion des medialen Geschehens verpflichtet.
Gruppenausstellung der Experimentellen Informatik mit Arbeiten von Anton Linus Jehle, Leon-Etienne Kühr, Sayaka Kuramochi, Ting Chun Liu, Benita Martis, Alexandra Nikitina, Pedro A. Ramírez, Lisa Reutelsterz, Conrad Weise, Kjell Wistoff
Katalog zur Ausstellung
16. Dezember 2023 - 27. Januar 2024
GLASMOOG - Raum für Kunst & Diskurs,
Kunsthochschule für Medien Köln