@article{Trogemann2014, author = {Georg Trogemann}, title = {Die F{\"u}lle des Konkreten am Skelett des Formalen}, url = {https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:hbz:kn185-opus4-501}, year = {2014}, abstract = {Softwaresysteme sind eine effektive technische Strategie zur Herstellung erfundener Wirklichkeiten. In unserer digitalen Kultur handeln programmierte Systeme bereits in betr{\"a}chtlichem Ma{\"s}e anstelle von Menschen. Dabei gelingt wechselseitiges Aufeinander-­‐ Reagieren von Menschen und programmgesteuerten Apparaturen nur dort, wo Software und Anwender sich auf einen gemeinsamen, oft unsichtbaren Kontext beziehen. Noch wei{\"s} die Apparatur nichts von ihrem Tun, es werden lediglich externe Ereignisse registriert und diese mit inneren Zust{\"a}nden zu Antworten und Reaktionen verrechnet. Die elektronische Hardware fungiert dabei als Substrat und offenes Gef{\"a}{\"s}, das unterschiedliche Programme aufnehmen und so unterschiedliche Logiken der Interaktion realisieren kann. Im Programm selbst finden wir nur ein Spiel von Zeichen, das Gr{\"o}{\"s}en und Symbole nach festen Regeln in Beziehung setzt und das Ergebnis in den Displays anzeigt oder mit Hilfe von Aktoren in Handlungen {\"u}bersetzt. Wie aber halten die Zeichen die Verbindung zur Welt? Oder andersherum: Wie kommt ein St{\"u}ck Welt in die Maschine? Am Beispiel der Geometrie wird in groben Z{\"u}gen nachvollzogen, welche Abstraktionen, Idealisierungen und Modellvorstellungen im Spiel sind, bis geometrische Primitive als manipulierbare Objekte im Computer zur Verf{\"u}gung stehen. Die verschiedenen Abstraktionsebenen, vom Anwendungsmodell {\"u}ber verschiedene formale Spezifikations-­‐ und Softwareebenen bis zum bin{\"a}ren Prozessorbefehl sind ein gut untersuchtes Feld im Software-­‐Engineering. Doch die Quantifizierung und Formalisierung markiert nur den Weg in die Maschine und damit nur die H{\"a}lfte der Strecke. Im Vollzug des Rechnens findet eine Konkretisierung und Rekontextualisierung des Formalen statt. Zeichen werden r{\"u}cktransformiert in Kontingenz und wahrnehmbare Qualit{\"a}t. W{\"a}hrend im Zuge der Abstraktion eine radikale S{\"a}uberung des modellierten Weltausschnitts erfolgt die alles Sinnliche entfernt, sehen wir beim Prozessieren der Algorithmen die Umkehrung. Das nackte Skelett wird wieder angereichert und die ganze F{\"u}lle an Gedanken, Gef{\"u}hlen und Interpretationsm{\"o}glichkeiten entfaltet sich aufs Neue. Doch wird nicht zur{\"u}ckgepackt was ehemals weggenommen wurde, sondern Anderes, das sich aus unterschiedlichen Quellen speist. Hier, in den Leerstellen der formalen Beschreibungen, nisten wesentliche Anteile des Reichtums, der Vielfalt und Qualit{\"a}t des Digitalen. Das Formale und das Konkrete d{\"u}rfen aber nicht als Widersacher im Ringen um F{\"u}lle und {\"A}sthetik betrachtet werden, sie bilden ein kraftvolles Gespann. Kluger Umgang k{\"o}nnte darin bestehen, die prinzipiellen Grenzen und M{\"o}glichkeiten des Formalen zu kennen, sich der instrumentellen Vernunft aber nicht auszuliefern, sondern sie in ihrer Wechselwirkung mit dem Konkreten zu untersuchen und fruchtbar zu machen.}, language = {de} }